Ein Konflikt kommt selten allein

Ein Konflikt kommt selten allein

Die Schattenlichter kennen sich mittlerweile ganz gut mit dem deutschen Gegenwartsautor Lutz Hübner aus: 2016 haben sie sein Stück „Frau Müller muss weg“ aufgeführt und sich dafür auch mit den Inszenierungen des GRIPS Theaters und des Hans-Otto-Theaters befasst. Ebenfalls 2016 und ebenfalls im Hans-Otto-Theater sahen sich die Schattenlichter Lutz Hübners „Richtfest“ an. Gestern war nun sein Stück „Wunschkinder“ im Renaissance-Theater an der Reihe, mit sieben Schattenlichtern im Publikum.

Da gab es vieles, das den Schattenlichtern vertraut vorkam: Wie in seinen beiden anderen Stücken behandelt Lutz Hübner in kurzen, knackigen Dialogen Probleme von durchschnittlichen Menschen von heute. Wie in „Frau Müller“ und „Richtfest“ geht auch „Wunschkinder“ von einem einzigen Hauptkonflikt aus: Bei „Frau Müller“ wollen ehrgeizige Eltern die Klassenlehrerin ihrer Kinder loswerden; bei „Richtfest“ wollen zu unterschiedliche Menschen gemeinsam ein Mehrfamilienhaus errichten, und bei „Wunschkinder“ wollen übermotivierte Eltern ihren Sohn zu mehr Ehrgeiz anstacheln. Aus allen drei Konflikten erwachsenen jeweils jede Menge anderer Konflikte. Soweit ist die einheitliche Lutz-Hübner-Linie erkennbar.

Die Schattenlichter hatten allerdings die Empfindung, dass der Autor bei „Wunschkinder“ ein wenig zu viel des Guten — oder eigentlich Schlechten — wollte. Man weiß kaum, wo man bei der Aufzählung der Folgekonflikte anfangen soll: Bevormundungskonflikt, Arm-Reich-Konflikt, Gesund-Krank-Konflikt, Selbstherrlichkeitskonflikt, Cholerikerkonflikt, Schwangerschaftskonflikt, Verantwortungskonflikt, Gewaltkonflikt, Kopf-in-den-Sand-Konflikt, Minderwertigkeitskonflikt, Hausfrau-Berufstätigenkonflikt, Entwurzelungskonflikt, Mutter-Tante-Eifersuchtskonflikt und und und …

In der zweiten Stückhälfte war es manchmal nur noch anstrengend. Dabei spielten die sechs Schauspieler durchaus intensiv und überzeugend. Vor allem Angelika Milster als Rockertante und Judith Rosmair als labile „Schwiegermutter“ waren großartig. Auch wurden die verschiedenen Konfliktszenen oft geschickt miteinander verknüpft, indem sie zeitgleich auf der Bühne erfolgten. Dem Gefühl, dass es jetzt aber mal gut sei mit den Konflikten, hatte dies aber nicht genug entgegenzusetzen.

Auch beim Bühnenbild wurde eine Chance vertan: Die karge Bühne mit Turnringen und Wattenmeerpanorama war nicht gerade das Originellste, das die Schattenlichter je gesehen haben. Für echte Lutz-Hübner-Freunde war dieser Abend — nun ja — ein Konflikt …

Wieder am 2. April 2017 um 16 Uhr sowie vom 18. bis zum 21. April um 20 Uhr.

Infos teilen:

Autor: Elke Brumm

Elke Brumm ist das dienstälteste Schattenlicht. Bei der allerersten Aufführung im Weihnachtsgottesdienst 1985 in der Pauluskirche war sie noch Zuschauerin, aber schon beim zweiten Stück war sie aktiv dabei - und ist es bis heute geblieben. Neben den spielerischen Aktivitäten ist Elke Brumm das organisatorische Rückgrat der Schattenlichter; die studierte Theaterwissenschaftlerin und Germanistin (FU Berlin) macht für die Schattenlichter auch die Pressearbeit und die Programmhefte. Seit 2015 schreibt sie ungefähr einmal monatlich einen Theater-Tipp für den Freundeskreis der Schattenlichter, denn da die Schattenlichter immer nur im Februar spielen, muss man schließlich auch im restlichen Jahr wissen, wo man kurzweilige und inspirierende Theaterabende verbringen kann.