Viele Fragen und ein 300. Geburtstag
Die Schattenlichter wollten etwas für ihre Theatergrundbildung tun und kauften Karten für die zwei wohl bekanntesten Stücke von Bertolt Brecht: „Die Dreigroschenoper“ und „Galileo Galilei“ – für Ende Dezember und Ende Januar im Brecht-Stammhaus, dem Berliner Ensemble.
Teil 1 der Bildungsreise, zufällig genau die 300. Vorstellung der „Dreigroschenoper“, stellte die Schattenlichter vor mehrere Rätsel:
Warum ist dieses farbenprächtige Stück mit seinen schillernden Bordellen, rauschenden Partys und phantasievollen Bettlerkostümen komplett in Schwarzweiß dargestellt, bis hin zum schwarzweißen Bühnenbild samt entsprechender Beleuchtung, die entweder helle, überblendete Flecken zeigt oder alle Mimik im Dunklen ersäuft?
Warum muss jeder Satz überzeichnet gesprochen werden, und was bringt es, keine einzige natürliche Bewegung zuzulassen? Ist das eine neue Interpretation des Brechtschen Verfremdungseffekts?
Und ist es nicht ein Sakrileg, die mitreißenden Kurt-Weill-Lieder in einem Sprechgesang oder in piepsiger Übersteuerung zum Besten zu geben, den Rhythmus immer wieder zu durchbrechen und ans Ende fast jeden Liedes ein Comicgeräusch zu setzen? Überhaupt die Geräusche: Wen sollte es amüsieren, dass Geräusche wie Schritte, Trinken und Schlucken in großer Lautstärke eingespielt wurden? Zumindest bei uns im zweiten Rang lachte niemand, sondern alle erwarteten ermattet nach 125 Minuten die Pause und nach weiteren 40 Minuten den erlösenden Schluss.
Doch dann wurde es zu unserer Überraschung auf einmal farbenfroh: Goldenes Konfetti flog durch die Luft, und eine goldene Jubiläums-300 drehte sich vor dem knallroten Schlussvorhang. Das bis dahin apathisch wirkende Publikum erwachte und klatschte sogar eine Zugabe heraus.
Wenn sich die Schattenlichter auf ein Lob einigen konnten, dann darauf, dass die Schauspieler und Musiker das Überziehen mit großer Konsequenz durchgehalten haben. Handwerklich war das sehr gut, nur den Sinn der Inszenierung haben wir nicht verstanden. Was Brecht wohl dazu sagen würde? „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“?
Als Theater-Tipp verweisen wir auf unseren zweiten Brecht-Versuch im Berliner Ensemble: „Galileo Galilei“ am 27. Januar 2019.