Kein Stück für die Volkshochschule
Wer nicht viel liest, aber gerne mitredet, wird sicherlich auf den Titel „Alle deutschen Dramen an einem Abend“ anspringen und sich wundern, dass dieses Programm nicht in der Volkshochschule, sondern im BKA am Mehringdamm angeboten wird.
Hat er sich über steile Treppen oder den langsamsten Aufzug Berlins in die fünfte Etage hochgearbeitet, wird er mit der Ankündigung belohnt, dass er nach dem Theaterabend über das Wissen eines gesamten Germanistik-Grundstudiums verfügen werde. Der Germanist im Publikum denkt sich, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen, aber er wird eines Besseren belehrt. Denn den vier Schauspielern von „Unter Niewo“ gelingt es nicht nur, einen Querschnitt durch die deutsche Dramenlandschaft zu präsentieren, sondern auch stilistische Besonderheiten wie den Brechtschen Verfremdungseffekt anschaulich zu erläutern.
Das Ganze ist aber keineswegs so trocken, wie es klingt, denn jedes Drama wird unterschiedlich umgesetzt — etwas als Schattenspiel zur Freude der Schattenlichter, als Showeinlage, als Rap, als Präsentation von Kermit dem Nachrichtensprecher-Frosch, als Star-Wars-Version, als Reinhard-Mey-Balalde oder als psychoanalytische Aufstellung. An Querelen, Eifersüchteleien und Psychosen im Darstellerteam mangelt es nicht, und auch die ständig wechselnden Kostüme von Glitzerlook bis zur mehr oder minder funktionstüchtigen Penisattrappe tragen zur Kurzweil bei.
Besondere Empfehlung: Ein Sitzplatz zum attraktiven Preis von 21 Euro in der letzten Reihe über den Köpfen des Theaterpublikums in direkter Nachbarschaft zu Tontechniker und Beleuchter — denn wie die beiden äußerst lässig ihre beeindruckende Anlage steuern, ist ein Erlebnis für sich.